Große Nachfrage trifft auf geringes Angebot

Hotspot Investmentmarkt Berlin

In der Rangliste der deutschen Investmentstandorte belegt Berlin, gemessen am Transaktionsvolumen, regelmäßig den ersten Platz. Auch im Jahr 2021 ist das Marktgeschehen, trotz aller Widrigkeiten, geprägt von einer hohen Aktivität der Akteure und einem sehr breiten Investorenspektrum. Grund genug, um mit unseren Experten Markus Gabriel MRICS und Heiko Silber MRICS vom Berliner Investmentteam über die aktuelle Situation und die Herausforderungen für die Marktteilnehmer zu sprechen. 

Markus Gabriel
Vorstand bei der Angermann Investment Advisory AG

Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Lage auf dem Berliner Investmentmarkt?


Markus Gabriel: Die Nachfrage ist sehr hoch, doch das Angebot ist für Käufer sehr gering. Ein kontinuierliches Transaktionsgeschehen, mit Verkäufen streng nach Businessplan, wie es noch in der jüngeren Vergangenheit üblich war, ist heute in der Form nicht mehr möglich. Pitches und strukturierte Prozesse finden immer weniger statt. Die meisten potenziellen Verkäufer halten sich momentan zurück, da ihnen nach dem Verkauf Anlagealternativen fehlen. 


Heiko Silber: Im Wesentlichen wird das Marktgeschehen derzeit von Einzeltransaktionen dominiert. Die Anzahl der Portfoliotransaktionen ist im gewerblichen Segment hingegen gering. 


Das Transaktionsvolumen steigt, doch die Anzahl der Deals sinkt. Warum ist das kein Widerspruch?


Markus Gabriel: Wir wissen von Transaktionen, bei denen sich der Preis der veräußerten Immobilien binnen sechs Jahren vervierfacht hat. Generell ist zu beobachten, dass das gestiegene Niveau der Büromieten und die sinkenden Renditen zu deutlichen höheren Substanzwerten geführt haben.


Heiko Silber: Die meisten Käufer suchen bevorzugt risikoarme Investmentmöglichkeiten und sind bereit, Ihre Renditeanforderungen zu senken , wodurch das Transaktionsvolumen auch bei kleineren Anzahl von Transaktionen steigen kann. 
 

Heiko Silber MRICS
Prokurist bei der Angermann Investment Advisory AG

Wie agieren Bestandhalter von Immobilien derzeit in der Hauptstadt?
 

Heiko Silber: Im Bürosegment ist der Fokus seitens der Eigentümer stark auf die Optimierung der eigenen Mietverträge sowie der Anpassung der Mieten gerichtet. Außerdem wird mehr in den technischen Ausstattungsstandard investiert, um die Attraktivität für Mieter zu erhöhen, die einen hohen Digitalisierungsgrad benötigen. 


Markus Gabriel: Da auch die Grundstückswerte stark gestiegen sind, werden Baupotenziale konsequent genutzt. Zwischen S-Bahnring und Berliner Speckgürtel erfahren Grundstücke und Bestandsgebäude vermehrt eine Umnutzung für die Last-Mile-Logistik in der Hauptstadt.  

Wie sieht es bei den anderen Asset-Klassen aus?

Heiko Silber: Der Einzelhandel ist aufgrund der Auswirkungen durch die Pandemie und die zunehmende Digitalisierung nachhaltig angeschlagen. In einigen Lagen wird über die Umwandlung der EG-Flächen in Büros nachgedacht. Auch der Hotelbereich hat aktuell zu kämpfen. Gelassener sind bislang die Akteure im Wohnungsmarkt durch die Krise gegangen. Allerdings ist das generelle Aufteilungsverbot ein harter Schlag für viele Marktteilnehmer. Wohl dem, der die Aufteilung in seinem Gebäude bereits zuvor vollzogen hat.


Markus Gabriel: Im Speckgürtel entstehen aktuell viele Wohnungen, insbesondere dort wo es einen guten Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr in Richtung Innenstadt gibt. Im Hotelbereich erwarten wir einige Verkäufe, die mit Umnutzungen einhergehen werden: Co-Living, Studentenwohnen oder weitgehend digitalisierte Hospitality-Angebote.
 

Führen steigende Baukosten und Materialknappheit zu einem Stau bei Neubauprojektierungen?

Heiko Silber: Durch spekulative Planungen kam es bereits zu einem gewissen Stau. Wer einen oder mehrere Mieter hat, kann, steigenden Baukosten und Materialknappheit zum Trotz, aktuell auch bauen. Allerdings bleiben viele Planungen in B und C-Lagen wohl noch eine Weile in der Schublade.
Inwieweit beeinflusst die steigende Inflation das Transaktionsgeschehen?
 

Markus Gabriel:  Die Angst vor Inflation und Strafzinsen treibt die Investoren in sichere Sachwerte, da Kapitalerhalt neben Rendite zunehmend im Fokus steht.

Wird sich die Mietpreisspirale künftig weiter nach oben drehen oder ist das Ende der Fahnenstange langsam erreicht?
 

Markus Gabriel:  Momentan ist ein Ende noch nicht in Sicht. Vielmehr werden sich die Berliner Mietpreise immer mehr internationale Metropolen wie London oder Paris angleichen. Diese Prognose deckt sich auch mit der Erwartungshaltung der meisten Investoren. In den Toplagen steigen die Preise nach unserer Beobachtung am schnellsten.
 

Führt die aktuelle Situation aus Ihrer Sicht zu einer nachhaltigen Renditekompression?

Heiko Silber: Definitiv, das gilt zunächst besonders für Core-Immobilien in den Prime Lagen. Objekte in Stadtteillagen werden dieser Entwicklung automatisch weiter folgen. 


Welche Funktion nimmt in der aktuellen Marktsituation der Makler ein?


Heiko Silber: Der Makler nimmt heutzutage verstärkt eine Moderatorenrolle ein. Durch seine umfassende Marktkenntnis muss er Szenarien kreieren können, in denen ein Off-Market-Ansatz für Käufer und Verkäufer gleichermaßen Sinn macht. Auch sollte es ihm gelingen, in den wenigen strukturierten Prozessen, einen maximalen Preis für den Verkäufer zu generieren. Hierfür sollte er über ein sehr gutes Netzwerk verfügen, um die Immobilie passgenau den richtigen Investoren anbieten zu können.


Inwieweit hat sich die Situation eines Berliner Investmentmaklers in den vergangenen Jahren gewandelt?


Heiko Silber: Die Konkurrenz ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Mittlerweile versuchen mehrere große Maklerhäuser ihr Stück vom Kuchen zu bekommen. Ohne ein Höchstmaß an Professionalität und detaillierte Marktkenntnisse ist man im Wettbewerb chancenlos. 


Welche Entwicklungen sind auf dem Berliner Investmentmarkt schon jetzt absehbar?

Markus Gabriel:  Die Anzahl internationaler Investoren, die mit ihrem Engagement in Berlin ihren Eintritt in den deutschen Markt vollziehen wollen, wächst stetig. Außerdem sind stabile, niedrige Renditen sowie eine anhaltend große Nachfrage realistische Prognosen für die kommenden Monate.
 

Gibt es Empfehlungen für Käufer und Verkäufer?


Markus Gabriel:  In jedem Fall sollten Verkäufe professionell vorbereitet werden, damit der Prozess, ohne Probleme und Verzögerungen von statten gehen kann. Käufer sollten über ein breites Betätigungsfeld verfügen. Neben einem funktionierenden Asset Management sind auch Entwicklerfähigkeiten gefragt, um Renditen jenseits des Core-Segmentes erzielen zu können. 

 

Video: 30 Jahre Angermann-Niederlassung in Berlin

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