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Larissa Lapschies im Interview

„Berufliche Qualifikation ist die wichtigste Voraussetzung für RICS Mitgliedschaft“

Seit dem 1. Juli ist Larissa Lapschies German Market Leader bei der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS). Im Gespräch mit IN.PUNCTO spricht die Dipl.-Immobilienökonomin (ADI) u.a. über den Verband, die hohen fachlichen und berufsethischen Standards, die Gütesiegel MRICS und FRICS, deren Bedeutung und welche Vorteile und Verpflichtungen sich aus einer RICS Mitgliedschaft ergeben.

Wie viele Chartered Surveyor gibt es in Deutschland und wie viele sind MRICS und FRICS?

Aktuell gibt es 1.934 MRICS und 289 FRICS in Deutschland. Deutschland hat damit die meisten Mitglieder auf europäischer Ebene. In Großbritannien ist die Mitgliederzahl noch mal deutlich größer. 

Was ist der Unterschied zwischen MRICS und FRICS?

Sowohl der Titel MRICS als auch FRICS gelten international als Zeichen fachlicher Qualifikation. Die Bezeichnung MRICS steht für “Professional Member of RICS” und FRICS für “Fellow of RICS”. Der Zugang ist entweder per Prüfung oder als “Direct Entry” möglich und wird auch bereits für junge Professionals angeboten. Der Titel FRICS kann aufgrund einer Bewerbung oder Nominierung vergeben werden, wenn der Kandidat oder die Kandidatin über herausragende, berufliche Leistungen verfügt und diese nachweisen kann. In besonderen Ausnahmefällen muss das Mitglied vorher noch nicht den Titel MRICS innegehabt haben.


Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden, um ein MRICS zu werden?


Grundsätzlich kann jeder MRICS werden, der in der Immobilienwirtschaft tätig ist. Ohne fachbezogenes Studium wird es unter 10 Jahren Berufserfahrung jedoch schwer, einen MRICS-Titel zu erlangen. Chartered Surveyors sind aufgrund ihrer umfassenden Fachkenntnisse und ihrer beruflichen Integrität ein Schlüsselfaktor für einen transparenten und integren Immobilienmarkt. Daher ist die berufliche Qualifikation die wichtigste Voraussetzung, um RICS-Mitglied zu werden.


Wie viele Chartered Surveyor kommen im Durchschnitt in Deutschland jährlich hinzu?


Das lässt sich pauschal kaum sagen und hängt immer etwas mit den Rahmenbedingungen im Immobilienmarkt zusammen. Zwischen 60 und 120 neue Mitglieder verzeichnen wir pro Jahr. Im vergangenen Jahr sind 70 neue Mitglieder hinzugekommen. 

Wie hat sich das Eignungsverfahren über die Jahre verändert, bzw. welche Anpassungen sind vorgenommen worden?

Wir passen die Verfahren laufend an die Anforderungen der Branche an. Neue Aspekte kommen hinzu, andere werden über die Jahre hinweg weniger wichtig. Das berücksichtigt die RICS im Interesse der Professionals. Die letzte große Veränderung gab es im Sommer 2019 mit dem neuen Pathway “Corporate Real Estate” und einigen neuen Competencies, wie zum Beispiel Big Data.


Welche Bedeutung hat der Chartered Surveyor im Mittelstand erlangt?


In den Anfängen der RICS in Deutschland galt vor allem das internationale Netzwerk als wichtiger Treiber für eine RICS-Mitgliedschaft oder Unternehmenszertifizierung. Auch heute ist das für viele Professionals ein relevanter Aspekt. Jedoch, und das trifft auch auf viele mittelständische Unternehmen zu, haben die Anforderungen an ein transparentes Handeln und die Einhaltung hoher Standards in der Branche spürbar zugenommen. Viele müssen sich auch die Frage stellen: „Was unterscheidet mich von der Konkurrenz und wie werde ich als Unternehmen für die Next Generation interessant?“ Bei allen diesen Aspekten unterstützt die RICS besonders auch den Mittelstand der Bau- und Immobilienwirtschaft.
 

iStockcom/DIPA

Wie hat sich der typische Bewerber in den letzten 10 Jahren verändert?


Die Kandidaten werden eindeutig jünger. Der RICS-Titel steht für eine berufliche Elite in der Branche. Wer große Ambitionen hat, sucht nach einer Möglichkeit sich von der Masse abzuheben. Bachelor- oder Masterabsolventen gibt es mittlerweile viele. Die Mitgliedschaft kann daher eine Möglichkeit sein, die eigene Karriere zu beschleunigen und schneller in verantwortungsvolle Positionen zu kommen.


Wie gestaltet sich der Bewerbungsprozess?


Potenzielle Neumitglieder bewerben sich über die Website und senden uns ihren Lebenslauf. Das Membership-Team in London prüft die eingesandten Unterlagen sodann in Bezug auf die
Zulassungsvoraussetzungen. Wenn diese zutreffen, berät das RICS-Team den Interessenten über den passenden Zugangsweg. Das dann beginnende Membership Assessment ist gebührenpflichtig und dauert bis zu zwei Jahre, abhängig vom möglichen Zugangsweg. Der Zugangsweg orientiert sich in der Regel an den Jahren der Berufserfahrung. Schnellere Assessments sind über RICS-akkreditierte Studiengänge möglich.


Was sind die Prüfungsinhalte?


Die Prüfungsinhalte variieren stark, je nach gewähltem Schwerpunkt. Die abschließende Prüfung ist letztlich auch nur das Finale des Membership Assessments. Das Assessment hat zwei Komponenten:
Zum einen die bis zu zweijährige Vorbereitungszeit, währenddessen Bewerberinnen und Bewerber im Rahmen Ihrer Tätigkeit erwor­benen Berufsfähigkeiten regelmäßig dokumentieren und schriftlich einreichen. 
Erst dann folgt die mündliche Abschlussprüfung (Final Assessment), in der zu prüfende Neumitglieder vor einem Gremium nachweisen müssen, dass sie über die erforderlichen beruflichen Kompetenzen verfü­gen. Die Basis für das Prüfungsgespräch bildet eine im Vorfeld anzufertigende Case Study.Bereits bei der Anmeldung zum Membership Assessment entscheiden sich die Kandidaten für eine der fachlichen Spezialisierungen. Die gewählte Fachrichtung bestimmt den Katalog und die jeweilige Stufe der in der Prüfung geforderten Berufsfähigkeiten (Competencies).


Wer sind die Prüfer?

Die Prüfer sind geschulte Mitglieder und selbst ebenfalls MRICS oder FRICS. In Deutschland besteht das Prüfungsgremium aus dem Prüfungsvorsitzenden, dem Prüfer und dem Observer. Der Prüfungsvorsitzende übernimmt dabei federführend die Organisation der Prüfungsvor- und Nachbereitung und stellt ergänzend zum Prüfer allgemeine Fragen oder Fachfragen. Der Observer garantiert die Qualität der Prüfung und die Einhaltung aller Regularien.


Welche Bedeutung hat der Titel MRICS in der deutschen Immobilienwirtschaft?


Mitglied der RICS zu sein steht für Professionalität, fachliche Kompetenz, für die Einhaltung berufsethischer Regeln und für eine internationale Prägung. Alle genannten Kriterien haben in der Immobilienwirtschaft eine große Bedeutung. Diese Qualifikationsmerkmale wünschen sich Unternehmen auch von ihren Mitarbeitern, um für den Wettbewerb in einem zunehmend komplexeren Umfeld gerüstet zu sein. Die strengen fachlichen und ethischen Stan­dards, zu denen sich Mitglieder verpflichten, sind Garanten für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. 

Welche Vorteile ergeben sich durch eine RICS Mitgliedschaft?


Chartered Surveyors sind in das RICS-Netzwerk eingebun­den, welches wertvolle Kontakte und einen regen Austausch mit Professionals auf nationaler und internationa­ler Ebene bietet. Eine Mitgliedschaft prägt oft den den Berufsweg entscheidend. Weiterhin bietet die aktive Mitarbeit in den Professional Groups eine Möglichkeit, Branchenstandards entscheidend weiterzuentwickeln. 

Welche Verpflichtungen gehen RICS Mitglieder ein?


Insbesondere legt die RICS wert auf das lebenslange Lernen. Jedes Jahr müssen durch die Mitglieder Weiterbildungen absolviert und nachgewiesen werden. Es ist dabei unerheblich, ob die Weiterbildung digital, in Präsenz, direkt bei der RICS oder einem anderen Institut stattgefunden hat. Mit jeder Weiterbildung werden sogenannte “CPD-Punkte” (Continuing Professional Development) erworben. 20 pro Jahr sind zu erreichen. Weiterhin sind die ethischen Standards einzuhalten, die Berufsehre zu schützen und die fachlichen Regeln strikt zu befolgen. 


Gibt es Kontrollmechanismen, dass die berufsethischen Regeln und Standards von RICS eingehalten werden?


Ja, es werden Stichproben durchgeführt, ob die Standards RICS zertifizierter Mitglieder eingehalten werden. Insbesondere bei zertifizierten Unternehmen. Genauere Kontrollen von einzelnen Mitgliedern erfolgen jedoch nur bei einem konkreten Verdacht. Verstöße werden teilweise auch von anderen Mitgliedern gemeldet.


Was sind die Sanktionen bei Nichteinhaltung?


Oft hilft bei Verstößen bereits, auf den Verstoß aufmerksam zu machen. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, beispielsweise wegen Steuerhinterziehungen, wird dem betreffenden Mitglied der RICS-Titel aberkannt. Ausschlüsse werden auf der internationalen Website der RICS veröffentlicht und genauer beschrieben. In Deutschland, Österreich, Schweiz kam das bislang aber selten vor. 

Website RICS
 

Gesprächsrunde: Der Weg zum MRICS-Titel – Drei Absolventen berichten

Wer den MRICS-Titel am Namen tragen muss zuvor eine anspruchsvolle Eignungsprüfung ablegen. Anu Rösler und Maximilian Kruse, beide Senior Consultant bei der Angermann Angermann Valuation and Advisory GmbH – Chartered Surveyors sowie Jan Simon, Senior Investmentberater bei der Angermann Investment Advisory AG haben jüngst ihre Prüfung erfolgreich abgeschlossen. Mit IN:PUNCTO sprechen sie über ihre Erfahrungen auf dem Weg dorthin.
 

Was waren die Gründe, sich für eine RICS-Mitgliedschaft zu bewerben?
 

Jan Simon: Die persönliche Identifizierung mit den Standards der RICS sowie die Möglichkeit Teil eines hochangesehenen Berufsverbandes zu sein, der zudem noch über ein ausgesprochen gutes internationales Netzwerk verfügt, waren für mich entscheidend für die Bewerbung. Außerdem glaube ich, dass die Mitgliedschaft sowohl meine eigene fachliche Kompetenz unterstreicht als auch für unser Unternehmen ein wichtiges Signal an unsere Kunden ist.


Anu Rösler: Durch die Mitgliedschaft habe ich die Qualifikation erworben, bestimmte Tätigkeiten und Bewertungen auszuführen. Die Internationalität und die breite Aufstellung des Verbandes in der gesamten Immobilienbranche waren für mich weitere wichtige Gründe.


Maximilian Kruse: Der MRICS-Titel ist ein hochwertiges Gütesiegel, mit dem jeder in der Branche etwas anfangen kann. Mein Counselor Stefan Gunkel MRICS hat darüber hinaus prophezeit, dass man sich am Ende des sehr aufwendigen Prüfungsprozesses fachlich und qualitativ auf einem deutlich höheren Niveau als zu Beginn befindet, und zwar unabhängig davon, ob man die Prüfung besteht oder nicht.


Wie zeitaufwendig war die Vorbereitung für die MRICS-Prüfung?

Anu Rösler: Die Vorbereitungszeit hängt von der jeweiligen Berufserfahrung und/ oder dem immobilienspezifischen Studium des Kandidaten ab. 


Jan Simon: In meinem Fall belief sich die Vorbereitungszeit beispielsweise auf sechs Monate. Neben dem täglichen Arbeitsaufwand war es streckenweise schon eine Herausforderung, sowohl den Anforderungen der RICS als auch den eigenen gerecht zu werden. 
 

Wie wichtig ist die Unterstützung durch den Arbeitgeber und wie sah sie bei Angermann aus?


Jan Simon: Die Unterstützung war für das erfolgreiche Abschneiden sehr wichtig. Auf diesem Weg noch einmal Danke an Dr. Jens Noritz und Dr. Torsten Angermann FRICS sowie an meinen Counselor Stefan Gunkel, die mir immer mit Rat und Tat zur Seite standen.


Maximilian Kruse: Schön war auch, dass die Kosten vom Unternehmen übernommen wurden.


Anu Rösler: Letztlich muss der Arbeitgeber die Mitgliedschaft auch wollen und in ihr ein Nutzen für das Unternehmen sehen. Wie von Jan Simon bereits erwähnt, benötigt jeder Bewerber einen Counselor, welche bei mir ebenfalls mit Stefan Gunkel einer unserer Geschäftsführer bei Angermann Valuation war. Geholfen hat mir in jedem Fall, dass wir in den Monaten vor der Prüfung, die Projekte so verteilt haben, dass der Lerneffekt im Rahmen der täglichen Arbeit möglichst groß war.

Was waren die Lerninhalte?


Anu Rösler: Extra vorgegebenes Lernmaterial gib es nicht. Vielmehr kann man aus etwa 20 unterschiedlichen „Pathways“, abhängig von eigenem Tätigkeitsfeld, wählen. Bei mir war es deshalb der Bereich Valuation. Die Kombination aus dem gewählten „Pathway“, den individuell auszuwählenden Schwerpunktbereichen, wie z.B. Projektentwicklung und Mietrecht sowie Case Studies aus dem beruflichen Alltag ergeben dann den Prüfungsinhalt. Wichtig ist es zudem, über aktuelle Themen und Veränderungen in der Immobilienbranche Bescheid zu wissen.


Das übergeordnete Thema dieser IN.PUNCTO-Ausgabe lautet „Auf zu neuen Ufern“. Inwieweit ist das Motto sinnbildlich für die eigene Tätigkeit im Allgemeinen und die erfolgreiche Prüfung im Speziellen?

Max Kruse: Der MRICS-Titel birgt natürlich neue Chancen für mich persönlich aber auch für Angermann, da der Titel ein hohes Maß an Fachkenntnissen und hohe Arbeitsqualität symbolisiert. Da einige Kunden konkret Gutachten eines MRICS verlangen, kann Angermann dem problemlos wie gewünscht nachkommen. Zudem wird die eigene Weiterentwicklung durch die Mitgliedschaft gefördert. Und es ergeben sich neue Aufgaben und Perspektiven, die vorher nicht da waren.

Anu Rösler: Durch die bestandene Prüfung und das Lernen davor haben sich sowohl der Wissenstand als auch das Aufgabengebiet erweitert. Nach der Prüfung ist man allerdings nie fertig, sondern entwickelt sich permanent beruflich weiter.

Jan Simon: Persönlich denke ich, dass man sich stetig weiterentwickeln und neuen Herausforderung stellen muss. Eine fundamentale Anforderung der RICS an ihre Mitglieder ist das „lebenslange Lernen“. Das ist auch meine Meinung. Man lernt nie aus, vor allem nicht im Job. Vielleicht sind es nicht immer neue Ufer, aber neue Wege. 
 

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