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ImmoWertV 2021:

Der große Wurf oder viele alte Ideen neu verpackt?

Mit der Novellierung des Wertermittlungsrechts (ImmoWertV 2021) traten für Sachverständige, Gutachterausschüsse und Anwender von Immobilienbewertungen zahlreiche Änderungen in Kraft. INPUNCTO sprach mit Stefan Gunkel MRICS, Geschäftsführer der Angermann Valuation Advisory GmbH, darüber, was neu ist bei der Immobilienbewertung.
 

Stefan Gunkel MRICS
Geschäftsführer der Angermann Valuation Advisory GmbH

Seit 1. Januar 2022 ist die Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Immobilien und der für die Wertermittlung erforderlichen Daten (Immobilienwertermittlungsverordnung - ImmoWertV) in Kraft. Was waren die Beweggründe für die Neugestaltung?
Die offizielle Idee dahinter ist nicht neu und unter anderem auch im Baugesetzbuch (BauGB) verankert. Gutachterausschüsse sollen belastbare Marktinformationen sammeln, um den Sachverständigen somit zu ermöglichen, marktgerechte Wertermittlungen zu erstellen. 

Was ist die gravierendste Veränderung?
Früher war es eine Richtlinie verbunden mit Bewertungsempfehlungen, jetzt haben wir eine Verordnung, die besagt, dass die ImmoWertV 2021 verbindlich zur Anwendung kommen muss. Hier kommt die Modellkonformität ins Spiel. Sie unterstellt, dass, wenn für die Wertermittlung erforderlichen Daten durch den Gutachterausschuss und bei der Erstellung der Wertgutachten durch die Sachverständigen die gleichen Modelle und Eingangsgrößen verwendet werden, sich zwangsläufig ein marktgerechter Verkehrswert ergeben muss. Soweit die Theorie. Da gibt es allerdings mindestens zwei Knackpunkte.

Die da wären? 
Ich bin seit über fünf Jahren ehrenamtliches Mitglied des Gutachterausschusses von Offenbach am Main, der über ständige Mitglieder verfügt. Die Kollegen sind ausgesprochen gut geschult, insbesondere was statistischer Erhebungen angeht. Allerdings sind sie, wie wahrscheinlich alle Gutachterausschüsse in Deutschland, substanziell und nachhaltig unterbesetzt und verfügen zudem über erhebliche Nachwuchsprobleme. Ich gehe davon aus, dass die nationale Bereitstellung einer belastbaren Datenlage, wie es die ImmoWertV 2021 fordert, ein bis zwei Dekaden in Anspruch nehmen dürfte. 
 

Und was passiert dann?
Dann hat man das zweite größere Problem, und zwar in der Form, dass die Gutachterausschüsse in der Regel nicht die „boGs“ (besondere objektsspezifische Grundstücksmerkmale) der einzelnen Immobilien, deren Daten sie insbesondere aus den Kostenvoranschlägen übernehmen, kennen. Dazu zählen Objektzustände, Mietverhältnisse, Alt- und Baulasten, planungsrechtliche Themen etc., so dass die Ergebnisse in der Regel - und wenn überhaupt nur zufällig - nicht belastbar und marktgerecht sein dürften. 


Wie lautet die Lösung dieses Dilemmas?
Man räumt dem Sachverständigen, den ein merkwürdiges Gefühl in Bezug auf einen marktgerechte Wertermittlung beschleicht, die Möglichkeit ein, von den vorläufigen Verfahrenswerten Zu- und Abschläge in eigenem Ermessen vorzunehmen, was im Ergebnis besagt, dass man eigentlich genauso individuell und sachverständig vorgehen muss, wie es bei der ImmoWertV 2010 der Fall war.


Ihr Fazit lautet also?
Viel Lärm um sehr wenig. Es stellt sich wie so oft die Frage, ob man die Zeit nicht besser hätte investieren können.  Es wäre auch interessant zu erfahren, was die inoffizielle Idee ist, die dahintersteht?  Vielleicht, dass auf Basis einer Traumwelt, die es so wahrscheinlich niemals geben wird, jede Person, die über Datenzugang sowie die Rechenmodelle verfügt, wie zum Beispiel Staatsbedienstete, in der Lage ist, marktgerechte Bewertungen zu erstellen. Wie bereits ausgeführt wird dieser Ansatz aber mindestens aufgrund der zwei genannten Problembereiche ad absurdum geführt.


Wie beurteilen ihre Kollegen ImmoWertV 2021?
Meine Sachverständigenkollegen haben mir in Gesprächen über das Thema erzählt, dass sie seit Januar 2022 die neue ImmoWertV 21 problemlos umsetzen. Außerdem haben sie bestätigt, dass sich an den Kalkulationen nichts geändert hat. Einzig und allein hat der Sachverständige nun die Möglichkeit, die einzelnen vorläufigen Verfahrenswerte mit sachverständigen Zu- bzw. Abschlägen zu bemessen (siehe hierzu §§ 7, 9, 26, 33 und 39), was sie gar nicht so schlecht finden. Bei der Beurteilung geht es insbesondere aber um die Handhabung und keineswegs um die Bestätigung, dass hier ein Quantensprung in der Immobilienwertermittlung hingelegt wurde.
 

Streitpunkt Modellkonformität

In der ImmoWertV 2021 wird das System der deutschen Verkehrswertermittlung ausführlich beschrieben. Zentraler Aspekt dieses Systems ist die Modellkonformität. Um das Prinzip der Modellkonformität zu verstehen, muss man wissen, dass es sich bei der deutschen Verkehrswertermittlung um ein zweistufiges Verfahren handelt:

 

Stufe 1: Zunächst ermittelt der jeweils zuständige Gutachterausschuss die für die Wertermittlung erforderlichen Daten und veröffentlicht sie in seinem Grundstücksmarktbericht. Für die Verkehrswertermittlung von Einfamilienhäusern veröffentlicht der Gutachterausschuss beispielsweise die dafür erforderlichen Sachwertfaktoren. Wie die veröffentlichten Sachwertfaktoren berechnet wurden und welche Eingangsgrößen dabei verwendet wurden, muss vom Gutachterausschuss genau beschrieben werden.


Stufe 2: Der Verkehrswertermittler setzt in seiner Wertermittlung den vom Gutachterausschuss veröffentlichten Sachwertfaktor an. Dabei muss er genauso vorgehen, wie vom Gutachterausschuss beschrieben und zudem dieselben Eingangsgrößen ansetzen.
Die Idee hinter dieser zweistufigen Vorgehensweise ist folgende: Wenn bei der Ermittlung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten durch den Gutachterausschuss und bei der Erstellung der Wertgutachten durch die Sachverständigen die gleichen Modelle und Eingangsgrößen verwendet werden, muss sich zwangsläufig ein marktgerechter Verkehrswert ergeben.


In diesem zweistufigen System gibt es allerdings ein großes Genauigkeitsproblem, denn die dem Gutachterausschuss vorliegenden Kaufverträge enthalten nur wenige aussagefähige Daten zur Qualität der verkauften Immobilie. Mit den vorhandenen Informationen lassen sich in der Regel keine ausreichend genauen Sachwertfaktoren ableiten. 

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