Ein Gespräch über Gründung, Erhalt und Nachfolge

Drei Generationen ein Unternehmen

Als klassisches Familienunternehmen wird die Unternehmensgruppe Angermann in zweiter Generation von Dr. Torsten Angermann FRICS geführt. Mit seinem Sohn Lucas Angermann steht die dritte Generation schon bereit. Gemeinsam gaben beide IN.PUNCTO Einblicke in die 70jährige Unternehmensgeschichte und wie sie ihre Rolle als Nachfolger interpretieren. 

 

Was zeichnete Ihren Vater, Horst F. G. Angermann, als Mensch und als Unternehmer aus?


Torsten Angermann: Mein Vater war ein Mann des Wortes. Als solcher hat er gerne auf diversen Veranstaltungen Vorträge gehalten und war neben seiner unternehmerischen Tätigkeit auch sehr in der Verbandsarbeit aktiv. Dies hat dazu geführt, dass der Name Angermann über die Jahre seines Schaffens einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hat und seine Meinung sehr gefragt war. Als Unternehmer hat er 1953 sein Berufsfeld selbst erfunden. Dadurch hatte er in seinem Metier zunächst keine Konkurrenz und konnte sich mit seinem Unternehmen erfolgreich entwickeln und expandieren.

Inwieweit hat Ihr Vater Sie schon in jungen Jahren teilhaben lassen?
Torsten Angermann: Mein Vater hat als kommunikativer Mensch auch zu bei uns zu Hause immer über seinen Arbeitstag und Entwicklungen in der Firma berichtet. Je älter ich wurde, desto bewusster hat er mich einbezogen und mich an seinen Plänen und Gedankengängen teilhaben lassen und mit mir geschäftliche Fragen diskutiert.

 
Welche Gemeinsamkeiten haben Sie mit Ihrem Vater? 

Torsten Angermann: Was uns geeint hat war, dass wir beide gerne kreativ tätig sind und Freude an der Entwicklung neuer Ideen haben. Ebenso wie mein Vater verstehe ich mich als Generalist.

Und was unterscheidet Sie?
Torsten Angermann: Mein Vater war, wie früher üblich, noch der typische Patriarch, der das Unternehmen mit einer klar abgesteckten Hierarchie geführt hat. Meine Unternehmensleitung ist dagegen nicht sehr hierarchisch geprägt. Meine Tür ist für jeden Mitarbeiter offen und ich verstehe meine Rolle nicht nur als Chef, sondern auch als Gesprächspartner. Schon früh habe ich Wert daraufgelegt, dass das Unternehmen zur Not auch ohne mich funktioniert. Wir haben deshalb für jeden Unternehmensbereich eine dezentrale Geschäftsführung installiert, die unabhängig agieren kann. Einzig die generelle Strategie wird mit der Holding-Leitung abgestimmt.

Wie schwer ist es, als Nachfolger ist in so große Fußstapfen zu treten?
Torsten Angermann: Für mich persönlich war es wichtig, dass ich zuvor erst einmal extern Erfahrungen während meiner Tätigkeit bei der Deutschen Bank sammeln konnte. Auch dass ich zunächst nur die Verantwortung für den Immobilienbereich übernommen habe, um mich dort zu beweisen und auszuprobieren können, hat mir sehr in meiner Entwicklung geholfen.

Lucas Angermann, mit Ihnen steht die dritte Generation in den Startlöchern. Wie wichtig sind für Sie Ihre bisherigen externen Erfahrungswerte?


Lucas Angermann: Ich kann da die Aussage meines Vaters nur bestätigen. Bevor ich eine Funktion im Familienunternehmen übernehme, möchte ich eigene Karriereziele erreichen und Ideen umsetzen. Meine Tätigkeit bei einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen der „Big 4“, wo ich unter anderem bei der Entwicklung von Portfoliostrategien für diverse Unternehmen und der öffentlichen Hand mitwirkte, war für mich beispielsweise ein wichtiger Schritt in die berufliche Selbständigkeit.

Was machen Sie heute?


Lucas Angermann: Gemeinsam mit meinem Geschäftspartner Maximilian Pfaffinger habe ich im Jahr 2021 ESTADE Capital Partners ins Leben gerufen. Unsere Hauptgeschäftsfelder sind der Neubau und die Revitalisierung von Immobilien sowie Baurechtsschaffung/-erweiterung. Mein besonderer Fokus ist dabei auf die Bereiche Strategie, Projektmanagement und Finanzierung gerichtet. 


Wie intensiv ist der Austausch mit Ihrem Vater?
Lucas Angermann: Da sich der Unternehmenssitz von ESTADE im Hauptsitz von Angermann in der Hamburger ABC-Straße befindet und das Büro meines Vaters vis-à-vis zu meinem ist, haben wir einen kurzen Weg zueinander. Diesen nutzen wir für einen regelmäßigen Austausch, bei dem ich auch wichtige Einblicke in die Unternehmensführung und das tägliche Geschäft erhalte.  
 

Herr Dr. Angermann, Ihr Vater hat im Jahr 1970 ein Buch mit dem Titel „Wachsen oder Weichen“ veröffentlicht. Inwiefern ist diese Aussage heute noch gültig?


Torsten Angermann: Was nicht wächst, wird irgendwann verschwinden. Das ist heute noch wahr und richtig. Entscheidend ist aber, dass das Wachstum ein gesundes Wachstum sein muss.


Was meinen Sie damit?
Torsten Angermann: Der Antrieb sollte als mittelständisches Unternehmen nicht sein, mit den Großen in Konkurrenz zu treten, um mit ihnen gleichziehen zu wollen. Vielmehr ist wichtig, dass der Wachstumsprozess auf Qualität basiert und nicht auf Quantität. Ich habe deshalb das Hauptaugenmerk daraufgesetzt, dass wir besser und schneller sind als andere, aber nicht unbedingt größer. Mit dieser Herangehensweise ist es gelungen, uns sukzessive weiterzuentwickeln und eine große mittelständische Beratungsfirma zu werden.


Welche historischen Ereignisse beeinflussten die Unternehmensgeschichte von Angermann maßgeblich?


Torsten Angermann: Hervorstechend ist hier sicherlich der Mauerfall und die damit einhergehende Deutsche Einheit. Unsere Dienstleistungspalette war in ihrer Gesamtheit damals überaus gefragt und für alle Geschäftsbereiche gab es ein großes Feld der Betätigung. Der Immobiliensektor boomte, es galt eine Vielzahl von Unternehmensverkäufe professionell zu begleiten, viele Firmen benötigten Unterstützung bei der Kapitalbeschaffung und auch die Nachfrage im Bereich der Sanierungsberatung war sehr groß. Ich weiß noch, wie unsere Mitarbeiter damals in die neuen Bundesländer gereist sind und nur bei Privatpersonen Unterkunft finden konnten, weil es noch nicht überall Hotels gab. Rückblickend war es eine Pionierzeit, die unserer Unternehmensgruppe noch einmal einen deutlichen Schub gegeben hat. 


Welchen Anteil haben die Mitarbeiter am Unternehmenserfolg?


Torsten Angermann: Unsere Mitarbeiter haben durch ihre gute Arbeit sicherlich den größten Anteil. Sie verkörpern Angermann nach außen und sind unser Gesicht bei Kunden und Geschäftspartnern. Es war uns deshalb auch immer wichtig, als Unternehmensleitung unsere Wertschätzung zu zeigen und sie am Erfolg partizipieren zu lassen. Dazu gehört auch, gemeinsam zu feiern. So legen wir viel Wert auf unsere jährliche Weihnachtsfeier, auch weil dies der einzige Zeitpunkt im Jahr ist, an dem alle unsere Mitarbeiter standortübergreifend zusammenkommen.  
 

Was kennzeichnet den typischen Angermann Mitarbeiter?


Torsten Angermann: Der typische Angermann Mitarbeiter ist jemand der lange, teilweise bereits seit mehreren Jahrzehnten, im Unternehmen beschäftigt ist. Dies wird auch an der Vielzahl von runden Dienstjubiläen deutlich, die wir jedes Jahr feiern. Die Verbundenheit zum Unternehmen erzeugen wir unter anderem auch dadurch, dass wir in allen Geschäftsbereichen stetig neue Kollegen ausbilden und ihnen ein selbständiges Arbeiten ermöglichen und Aufstiegschancen bieten.  


Was bedeutet das siebzigjährige Firmenjubiläum für Sie persönlich?


Torsten Angermann: Zunächst einmal ist entscheidend für mich, dass die vergangenen siebzig Jahre immer von einem stetigen Fortschritt geprägt waren und sich nie auf vergangene Erfolge ausgeruht wurde. Wir sind mit der einzigartigen Kombination unserer unterschiedlichen Geschäftsfelder gut und modern aufgestellt.  Persönlich erfüllt mich mit Freude, dass es mir gelungen ist, den Immobilienbereich seinerzeit so zu entwickeln, dass er heute die tragende Säule im Unternehmen ist. 


Freut es Sie, dass mit Ihrem Sohn Lucas die nächste Generation in den Startlöchern steht?


Torsten Angermann: Unser M&A-Geschäftsbereich hat schon viele Unternehmen bei der Nachfolge unterstützt und begleitet. Allein schon deshalb weiß ich, wie wichtig eine rechtzeitige Weichenstellung ist. Das mein Sohn im Zuge dieses Prozesses die Bereitschaft signalisiert hat, den Staffelstab aufzunehmen freut mich sehr, da so der Geist unseres Familienunternehmens gewahrt bleibt. 


 Mit welchen Zielen gehen Sie an die Aufgabe als „Nachfolger“ heran?


Lucas Angermann: Zunächst ist es für mich in den kommenden Jahren wichtig, dass Unternehmen mit seinen Strukturen und seinen Mitarbeiter immer besser kennenzulernen. Gleichzeitig möchte ich meine Erfahrungen im Immobilienbereich erfolgreich einbringen. Was die Nachfolge angeht, ist es mein Ziel, die erfolgreiche Arbeit meines Vaters und Großvaters weiterzuführen und meiner Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern gerecht zu werden. Auf diese Herausforderung freue ich mich.


Gibt es besondere Ratschläge, die Sie ihm aus Ihrer eigenen Erfahrung mit auf dem Weg geben?


Torsten Angermann: Der wichtigste Ratschlag ist, dass man immer bei seiner eigenen Identität bleibt und nicht seinen Vorgänger kopiert. Nur so bleibt man authentisch und kann seine Stärken gewinnbringend ins Unternehmen einbringen.

 

 

(Der Artikel erschien 2023 in der IN.PUNCTO-Ausgabe No. 26)