Immobilienfinanzierung:

Vor welchen Herausforderungen stehen Käufer heute?

Als Geschäftsführer der von ihm 2011 gegründeten EMB Financial GmbH betreut der seit über zwanzig Jahren in der Immobilienbranche tätige Stephan Meyer gemeinsam mit seinem Team namhafte Unternehmer und Unternehmen bei ihren Immobilienfinanzierungen.  Im Interview mit IN.PUNCTO  (Ausgabe 2022) spricht er unter anderem über aktuellen Entwicklungen und gibt Handlungsempfehlungen für Immobilienkäufer.

 

Stephan Meyer
Geschäftsführer EBM Financial GmbH

Wie beurteilen Sie die aktuelle Zinsentwicklung? 

Dynamisch! Aus unserer Sicht ist die aktuelle Zinsentwicklung die längst überfällige Korrektur der expansiven Geldpolitik der letzten 13 Jahre. Seit der Lehmann-Pleite 2008/2009 und der nachfolgenden Staatsschuldenkrise wurden die Probleme lediglich mit noch mehr Geldmitteln übertüncht. Eine wirkliche Aufarbeitung und Neustrukturierung der Schulden und Finanzsysteme hat nicht stattgefunden.

Derzeit drücken Themen wie die Inflation, eine drohende Rezession, Fachkräftemangel, Ressourcenknappheit, die Möglichkeit eines erneuten Lockdowns im Herbst und natürlich der Krieg in der Ukraine die Stimmung. Welchen Einfluss haben diese Faktoren aus Ihrer Sicht für den Bereich Immobilienfinanzierung?


Wir beobachten, dass die Nachfrage stark zurückgeht und Immobilieninvestoren äußerst vorsichtig agieren. Die Fremdkapitalkosten haben sich innerhalb von 6 Monaten um 2,5 bis 3 % erhöht, was die Businesspläne vieler Marktteilnehmer schlichtweg nicht vorsehen. Die Renditevorstellungen waren bis vor Kurzem noch bei rund 3 %, welche sich angesichts der derzeitigen Zinsen und Preise nicht realisieren lassen bzw. zu niedrig erscheinen.


Was sollten Immobilienkäufer unbedingt beachten? 


Die Finanzierung langfristig abzuschließen! Der Kaufpreis und die dazu passende Finanzierung sollten zwingend für mind. 10 bis 15 Jahre einen deutlich positiven Cashflow aufweisen. Eine Wertzuwachsbetrachtung kann nur sekundär sein.


Was zeichnet heute eine optimale Immobilienfinanzierung aus? 


Langfristige Sicherheit in der Zinssicherung, kurze und mit wenig Covenants formulierte Darlehensverträge sowie einen verlässlichen Finanzierungspartner. Am besten eine möglichst breite Expertise eines Vermittlers nutzen.
 

Wie werden sich die Finanzierungskonditionen kurzfristig (innerhalb von 12 Monaten) sowie mittelfristig (3 - 5 Jahre) entwickeln? 


Nicht ganz einfach zu beantworten. Aktuell sehen wir tägliche Volatilitäten von teilweise 40 Basispunkten, die in normalen Zeiten in 1 bis 2 Monaten vorkommen. Aus unserer Sicht werden die Zinsen weiterhin volatil bleiben, zumal die Unsicherheiten durch diverse, Einflüsse, wie zum Beispiel Krieg, Gas, Energie und Inflation, hoch bleiben. Eine weitere Erhöhung schließen wir ausdrücklich nicht aus. Die EZB bzw. die FED hat hier bereits Signale in den Markt gegeben. Weiter ist die Gefahr durch mögliche Ausfälle bei Immobilienfinanzierungen aus Projektentwicklungen und einzelner Markteilnehmer äußerst hoch, welche zu einer weiteren Verschlechterung der Finanzierungsmöglichkeiten führen werden.


Hat die Immobilienbewertung im Vorfeld einer Transaktion an Bedeutung gewonnen?


Ja, sogar sehr. Bei allen Immobilienfinanzierung wird eine Immobilienbewertung vorgenommen. Es müssen die nachhaltige Miete, Restnutzungsdauer und mögliche Capex-Themen individuell bewertet werden. Diese haben einen entscheidenden Einfluss auf die Konditionen, die Tilgungsstruktur sowie die Darlehensbedingungen. 


Nachdem der Investmentmarkt für Immobilien jahrelang boomte, wurde ab März 2022 gefühlt die Pause-Taste gedrückt. Derzeit scheint es so, dass es wenige Transaktionen angesichts abweichender Verkauf- sowie Kaufpreisvorstellungen gibt. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der Investmentmarkt wieder in Schwung gerät? 


Der Immobilienmarkt zeichnet sich nicht durch seine Reaktionsschnelligkeit aus. Die schnell und stark steigenden Zinsen haben hier für eine Ungleichgewicht gesorgt. Wer für 3 % Rendite Objekte kauft, kann nicht mit 3 % finanzieren! Heißt im Umkehrschluss: Die Ankaufsrenditen müssen deutlich höher werden, was die Kaufpreise im Allgemeinen sinken lässt. Dass dort nicht jeder Marktteilnehmer mitmachen möchte, liegt in der Natur der Sache. Langfristig werden die Kaufpreise aber nachgeben. Dieses bekommen jetzt schon die Projektentwickler, beispielsweise durch steigende Baupreise und höhere Ankaufrenditen, zu spüren. 


Sehen Sie fundamentale Unterschiede zwischen dem nationalen sowie internationalen Investmentmärkten?


Ja, sehr deutlich sogar. Die europäischen Staaten, die nicht den Euro als Währung haben, haben fast keine Inflation. Die Immobilienmärkte sind auf Grund der gestiegenen Zinsen zwar auch etwas nervös, aber nicht im gleichen Ausmaß wie die Euro-EU Länder.


Sehen Sie Asset-Klassen Gewinner bzw. solche, die weniger von der aktuellen Entwicklung tangiert sind? 


Wir sehen aktuell alle Assetklassen in einer schwierigen Situation. Es gibt eine Assetklasse, die allerdings derzeit nur eine Nische darstellt, aber sehr erfolgreich ist. Datenzentren / Serverfarmen erfreuen sich großer Nachfrage mit stabilen Renditen.
 

Leistungsportfolio der EBM Financial GmbH

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